Ein Gespräch mit Martin Karnein

Mitten in der Baukrise entschlossen sich die Führungskräfte der Firma Heckmann, mehr Energie in die Wertschätzung von Mitarbeitern und Kunden zu investieren. Martin Karnein, geschäftsführender Gesellschafter, erzählt von einem ungewöhnlichen Weg zu Wachstum und Erfolg.

Welche Rolle spielen Werte in Ihrem Unternehmen?
Die Wertschätzung der Mitarbeiter und der Kunden sind Grundlage unseres Erfolgs. Nur wenn ich die Mitarbeiter wertschätze, kann ich sie erreichen, ihre Herzen öffnen, kann ich sie führen. Ähnliches gilt für unsere Auftraggeber. Wir müssen herausfinden was dem Kunden wichtig ist. Es geht nicht nur um Beton und Stahl, das kann er an jeder Ecke kaufen. Der Kunde muss spüren, dass wir uns mit seinem Produkt intensiv auseinandersetzen und er so seine eigenen Ziele besser erreichet.

Wie sind Sie zu diesen Überzeugungen gekommen?
In der Baukrise vor etwa 15 Jahren haben viele Bauunternehmen gejammert und ihre Mitarbeiterzahl immer weiter verringert. Wir haben die Mitarbeiter gehalten, aber am Anfang mit gejammert. Irgendwann ist uns aufgefallen, dass es so nicht geht. Wir können den Markt nicht ändern. Wir müssen uns selbst ändern, und zwar konsequent.

Wie sind Sie das angegangen?
Wir haben Leitlinien für den Umgang mit Kunden und Führungsgrundsätze formuliert. Und daran halten wir uns. Die Führungsmannschaft besucht regelmäßig externe Arbeitskreise bei dem Bauberater Dr. Rüdiger Weng. Letztens waren wir noch gemeinsam in einem Kloster, wo wir uns mit Führungsgrundsätzen der Benediktiner beschäftigt haben. Es geht jedoch nicht nur um Führungskräfte. Regelmäßig veranstalten wir „Poliertage“ und „Azubitage“. Jeder von uns muss die Unternehmenskultur verstehen und mittragen. Das Wort „Gilt“, das wir vor einigen Jahren über unsere Arbeit gestellt haben, fasst unseren Anspruch treffend zusammen. Das „Gilt“ gilt für alle und alles. Für Termin- und Kostensicherheit. Und dafür, dass ich auch als Chef nicht unentschuldigt zu spät komme.

Sie wurden 2015 und 2016 als „Bauunternehmen des Jahres“ ausgezeichnet. Was waren die Gründe der Jury?
Ein wichtiger Aspekt war unsere Kundenorientierung. Die Bauindustrie ist jahrzehntelang trainiert worden, Vertragsbedingungen hart auszulegen. Das führte zu unentwegtem Streit mit den Auftraggebern. Wir haben gelernt, dass das Unsinn ist. Wir wollen eine Kultur der Zusammenarbeit. Unsere Bauleiter lernen, wie man einen Konflikt schlichten kann. Die meisten Kunden wollen keinen Streit, sondern einfach fair behandelt werden. Mit Transparenz und Ehrlichkeit sind wir besser gefahren.

Hängt das nicht auch vom Auftraggeber ab?
Wir suchen uns Kunden die mit uns auf Augenhöhe sind. Bei Kunden wie Daimler-Benz stünden wir riesigen Einkaufsabteilungen gegenüber, da besteht kein Gleichgewicht. Wir brauchen mittelständische Kunden, die genauso ticken wie wir. Zu denen wir auch sagen können: Mensch, wir haben da ein Problem. Ich kann den Entscheider erreichen, wie der Kunde auch bei uns den Entscheider erreichen kann. Das ist wichtig. Mit Kunden, die ganz andere Strukturen haben, funktioniert das nicht.

Bei 430 Mitarbeitern bilden Sie 60 junge Menschen aus. Das ist eine Quote von 6:1, die höchste der nordrhein-westfälischen Baubranche. Warum?
Wir wollen die wesentlichen Arbeiten mit unseren eigenen Mitarbeitern leisten. So können wir unser Qualitätsansprüche und unsere Unternehmenskultur schon den jungen Leuten im Denken und Handeln vermitteln. Die meisten, die wir übernehmen, bleiben dann auch bei uns.

Es gibt Unternehmen, die sich bei der Ausbildung zurückhalten…
Ja, es gibt Unternehmen, die jammern: Die jungen Leute seien nicht ausbildungsfähig, die hätten kein Benehmen, könnten gar nichts. Das ist Unsinn. Viele sind frustriert von der Schule und auch in dem einen oder anderen Fach schwach. Aber es sind trotzdem tolle Menschen. Dann müssen wir uns eben ein bisschen mehr Mühe geben. Im Winter, wenn wir nicht arbeiten können, geben die Poliere den jungen Menschen Nachhilfeunterricht. oder wir schicken sie samstags zur Nachhilfe zum Kolping-Bildungswerk. Da muss man sich ein bisschen kümmern.

Wie finden Sie einen Draht zu den jungen Leuten?
Am Samstag vor Ausbildungsbeginn laden wir die neuen Azubis mit ihren Eltern zu uns ein. Wir stellen die Unternehmensfamilie vor, gehen über den Bauhof und zeigen ihnen, wie der Ablauf funktioniert. Die Eltern sollen stolz darauf sein, dass ihre Kinder bei uns lernen. Außerdem veranstalten wir alle zwei Jahre einen Azubitag mit einem fachlichen Teil am Vormittag und viel Spaß
am Nachmittag. Dieses Jahr haben wir die Firma Funke mit ihrer Kunststoffrohrproduktion besucht und sind dann Kanu gefahren. Da paddeln wir alle gemeinsam und ich fühle mich an meine Zeiten als Pfadfinder erinnert. Das tut mir richtig gut. Wenn ich dann im Bus sitze, hinter mir 50 junge Menschen, denke ich: Toll! Mit solchen jungen Menschen kann die Zukunft doch nur gut werden!

Im Rietzgartenviertel errichten Sie neue Wohnungen. Bevor Sie das ehemalige Schwesternwohnheim dort abgerissen haben, stellten Sie es kostenlos als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung. Warum?
Ursprünglich wollten wir kurzfristig mit dem Abriss beginnen. Als die Menschen jedoch hier ankamen, haben wir geschaut, ob wir noch ein Zeitfenster haben. Hatten wir. Für die gesamte Führungsmannschaft war sofort klar, dass wir das Gebäude kostenlos zur Verfügung stellen. Für uns wäre es unanständig, in solch einer Situation an den Problemen anderer Menschen Geld zu verdienen.

Wollen Sie auch Flüchtlinge ausbilden?
Ich bin ehrenamtlich bereits seit vielen Jahren Vorsitzender für Berufsbildung in der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen, seit drei Jahren auch im deutschlandweiten Hauptverband als Vorsitzender für das Thema zuständig. Wir haben in NRW Ausbildungszentren in Hamm, in Essen und in Kerpen. Die dienen uns als Navigatoren, dort werden junge Flüchtlinge zuerst über die Sprache an die Berufe herangeführt. Wenn sie so weit sind, werden wir auch junge Leute in Ausbildung nehmen.

 

Quelle: Wirtschaft | INFORM, Ausgabe Dezember 2016